Für die Städtepartnerschaft zwischen München und Bordeaux wurde am letzten Samstag im Mai des Jahres 1964 der Grundstein gelegt. Die damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und Jacques Chaban-Delmas besiegelten die offizielle Partnerschaft der beiden Städte. Auf den Tag genau 58 Jahre später fand am letzten Samstag im Mai 2022 das zweite Partnerschaftsfest auf dem Münchner Bordeauxplatz statt.

Wie schon im Vorjahr bei der Premiere dieses Festes erhielt der Verein „Initiative München-Bordeaux e.V. (IMB)“ als Veranstalter Unterstützung durch die Europa-Union, die Jungen Europäischen Föderalisten, Pulse of Europe und das Pro-Europa Netzwerk, die einen gemeinsamen Stand auf dem Platz aufgebaut hatten:

Foto: Nir Avner

Auch der Verein Eurojumelage informierte über seine Aktivitäten. Doch anders als im Vorjahr – und zur großen Freude der Veranstalter – konnte 2022 eine Delegation aus der Partnerstadt zum Fest begrüßt werden. Die Vorsitzende des dortigen Partnerschaftsvereins Initiative Bordeaux-Munich (IBoMu), Frau Maguy Mayon-Wrach, und zwölf weitere Gäste aus Bordeaux waren im Rahmen ihres Besuchs in München Ehrengäste der Veranstaltung.

Eröffnet wurde das Fest um 12 Uhr von der Vorsitzenden der IMB, Mireille Schmich-Faurie, bei schönstem Sonnenschein, der das Fest über den Nachmittag begleiten sollte. Für Abkühlung sorgten zwischendurch erfrischende Windböen, die gegen Abend stärker wurden und einmal sogar die kunstvoll dekorierten Blumenarrangements wegzuwehen drohten. Doch die wärmende Sonne gewann immer wieder die Oberhand und erlaubte der Feierrunde ein Verweilen im Freien bis abends.

Die Vorsitzende bedankte sich herzlich bei den Sponsoren der Veranstaltung, dem Bezirksausschuss V Au/Haidhausen München, dem Bürgerfonds und der Großbäckerei Ihle, ohne deren großzügige Unterstützung die Feier nicht in diesem Rahmen hätte stattfinden können.

Nach ihrer Begrüßungsansprache leitete Mireille Schmich-Faurie sogleich weiter an die 2. Bürgermeisterin der Stadt Bordeaux, Céline Papin. Auf einem großen Bildschirm sprach diese in einer Videobotschaft zu den Festgästen und hatte dafür einen symbolischen Standort gewählt. Bei strahlendem Sonnenschein stand Mme. Papin in Bordeaux auf der Placette de Munich, mit dem Fluss Garonne im Hintergrund. Sie betonte in ihrem Grußwort den hohen Stellenwert solcher Begegnungen, die dazu dienten, die Grundidee von Partnerschaften auf kommunaler Ebene mit Leben zu füllen.

Derselbe Tenor prägte auch die darauffolgenden Grußworte der beiden Vertreter der Landeshauptstadt München. Frau Stadträtin Heike Kainz und ihr Amtskollege Beppo Brem überbrachten in deutscher und französischer Sprache ihre Glückwünsche zum 58. Geburtstag der Städtepartnerschaft und äußerten ihre Anerkennung für das große bürgerschaftliche Engagement, welches zum Gelingen eines solchen Partnerschaftsfests erforderlich ist. Mit Frau Kainz und Herrn Brem war der Münchner Stadtrat beim Partnerschaftsfest von zwei kompetenten und sehr engagierten Ansprechpartnern vertreten.

Isabella Amann, Landesvorstand der Europa-Union; Beppo Brem, Vorsitzender Arbeitskreis Städtepartnerschaften im Stadtrat; Heike Kainz, Ausschuss für Stadtplanung, Kommunales, Bildung und Sport im Stadtrat; Mireille Schmich-Faurie, Vorsitzende der IMB. Foto: Nir Avner

Die Landesvorsitzende der mitveranstaltenden Europa-Union, Isabella Amann, dankte in ihrer Rede den Organisatoren für dieses Fest, das vielleicht ein kleiner Baustein der Europäischen Einigung sein mag, aber umso mehr zur Friedensicherung und Verständigung beiträgt und Europa erlebbar, greifbar und nachvollziehbar macht. Damit bekommt die europäische Idee Gesicht, Emotion und persönliche Note. Die Vorsitzende des Partnervereins IBoMu aus Bordeaux, Maguy Mayon-Wrach, bedankte sich für die Einladung und lobte den schönen Rahmen deutsch-französischer Begegnungen, der mit diesem Fest geschaffen wurde.

Beppo Brem, Dr. Franz Weindauer, Vorstand der IMB; Heike Kainz; Mireille Schmich-Faurie: Maguy Mayon-Wrach, Vorsitzende der IBoMu

Als Höhepunkt der Eröffnungszeremonie schritt man dann zur Enthüllung des Schildes „BORDEAUX 1000 km“, welches auf Initiative der IMB ein paar Tage zuvor an der östlichen Seite des Bordeauxplatzes angebracht worden war. Im Beisein der Stadträte Frau Kainz und Herrn Brem, der Gäste aus Bordeaux sowie von etwa 100 Besucherinnen und Besuchern des Partnerschaftsfests wurde in einem feierlichen Akt die bordeauxrote Verhüllungsdecke entfernt. Das Schild wurde seiner Bestimmung übergeben mit der Absicht, diese Städtepartnerschaft für alle Münchner Bürgerinnen und Bürger am Bordeauxplatz sichtbar zu machen. Unter dem Schild wurde eine Merlot-Weinrebe angepflanzt, welche die Delegation aus Bordeaux als Gastgeschenk mitgebracht hatte.

Als die Festgemeinde nach Abschluss der Zeremonie zurückkam zu ihren Sitzplätzen, erwartete sie ein stilvoll vorbereitetes deutsch-französisches Buffet mit Getränken. Für einen sehr angenehmen musikalischen Rahmen beim Essen sorgte die bereits aus dem letzten Jahr bekannte Gruppe, die „EVERGREEN SERENADERS“, mit einem dem Anlass entsprechenden französischen Repertoire. Für das leibliche Wohl der Anwesenden war nun gesorgt, und Mireille Schmich-Faurie kündigte als nächsten Programmpunkt eine Autorenlesung an.

Bild Band Lippert 21

Der in München lebende Schriftsteller, Lyriker und Filmemacher Alfred Gulden las aus seinem 2021 erschienenen Werk DIE TASCHEN DER MADAME CARRIVE. Als Einführung zur Lesung stellte die Literaturwissenschaftlerin Verena Nolte den 1944 an der deutsch-französischen Grenze geborenen Autor und sein Werk vor. Der Schwerpunkt von Gulden literarischer Arbeit liegt auf Beschreibungen von Lebensumständen, von Landschaften und Menschenschicksalen.

Verena Nolte, Literaturwissenschaftlerin und Alfred Gulden, Autor. Foto: Nir Avner

Als Gulden ab 1996 für einen längeren Stipendienaufenthalt in Bordeaux lebte, lernte er Charlotte Carrive, die hochbetagte Witwe des Surrealisten Jean Carrive kennen. Die Namensgeberin seines Buches mit dem Untertitel „Geschichten aus Bordeaux und um Bordeaux herum“ lebte bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 auf dem zwischen Bordeaux und Bergerac gelegenen Weingut „La Girarde“. Der biografische Hintergrund der 1909 in Breslau geborenen Jüdin Charlotte Behrendt war geprägt von Kriegserlebnissen, Antisemitismus, Verfolgung und Flucht. Nach ihrer Eheschließung mit Jean Carrive fand sie in Bordeaux ihren Zufluchtsort vor den nationalsozialistischen Verfolgern und Kriegstreibern. Angesichts der momentanen Kriegssituation im Osten Europas klingt die wahre Geschichte hinter Guldens Werks beängstigend aktuell.

Nach Ende der Lesung gab es aus den Reihen des Publikums großes Interesse an weiteren Gesprächen mit Alfred Gulden, während sich am Rande der Bühne bereits der Weinexperte Philippe Lachaise auf seinen nun folgenden önologischen Vortrag vorbereitete und seine mitgebrachten Requisiten auf einem Tisch aufbaute. Zur Feier des Tages öffnete Lachaise sechs Magnumflaschen eines ganz besonderen Tropfens zum Ausschank: Château Haut Belfort aus dem Médoc, millésime exceptionnel des Jahrgangs 2015. Und zur großen Freude der Festgäste erläuterte Lachaise seinen kulturellen Programmbeitrag nicht nur theoretisch, sondern bot in schönen Bordeauxgläsern diesen exzellenten Rotwein zur Verkostung und zum besseren Verständnis seiner önologischen Erklärungen an.

Philippe Lachaise, Weinexperte in Pullach. Foto: Nir Avner

Im weiteren Verlauf des Nachmittags wurden zu Kaffee und Kuchen noch zwei musikalische Beiträge geboten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können – jedoch jeder auf seine Weise sehr gelungen. Zunächst griff der bekannte oberbayerische Volksmusiker Ernst Schusser in die Tasten seines Akkordeons und präsentierte Volkslieder und Gstanzl zum Mitsingen. Unterstützt wurde er von der Gitarristin Eva Bruckner und einer im Laufe seiner Darbietung immer größer werdenden Gruppe von Sangesbrüdern und –schwestern.

Ernst Schusser, ehemaliger Leiter des Volksmusikarchivs, Eva Bruckner und fleißiger Sänger. Foto: Nir Avner

Das Publikum applaudierte begeistert und entließ Schusser erst nach einer Zugabe von der Bühne, die nach einer kurzen Umbaupause nun frei war für Chorleiter Christoph Hauser und seinen deutsch-französischen Chor. Moderiert von Hans Weber boten die Sängerinnen und Sänger ein gelungenes Repertoire bekannter französischer Lieder. Auch diesmal waren die Sangesfreudigen im Publikum eingeladen mit einzustimmen. Höhepunkt der Chordarbietung und krönender Abschluss mit großem Symbolwert war die in deutscher und französischer Sprache gesungene Europahymne, mit der sich das Partnerschaftsfest auf dem Bordeauxplatz dem Ende neigte.

Deutsch-französischer Chor München unter der Leitung von Christoph Hauser. Foto: Nir Avner

Doch bevor die Festgäste den Heimweg antraten, waren sie noch eingeladen zur Teilnahme an einer Stadtteilführung von Dieter Rippel, einem der besten Kenner des „Franzosenviertels“ in Haidhausen. Der Rundgang mit großen historischen und kleinen anekdotischen Erläuterungen begann und endete am Bordeauxplatz mit seinen alten Bürgerhäusern und Gründerzeitfassaden, wo am 28. Mai 2022 gegen 18 Uhr ein rundum gelungenes Fest anlässlich des 58. Jahrestags der Städtepartnerschaft zwischen München und Bordeaux zu Ende ging.

Ein Bericht von Hildegard Mehr